Artikel 38 | Aufgaben der Superintendentin oder des Superintendenten

(1) 1Die Superintendentin oder der Superintendent nimmt eigenständige Leitungsaufgaben im Kirchenkreis wahr und sorgt für eine theologisch verantwortete Leitung des Kirchenkreises. 2Als vorsitzendes Mitglied des Kirchenkreisvorstandes trägt sie oder er gleichzeitig Verantwortung dafür, dass der Kirchenkreisvorstand seine Leitungsaufgaben wahrnimmt. 3Sie oder er sorgt für das sachgerechte Zusammenwirken aller an der Leitung des Kirchenkreises Beteiligten.

(2) 1Die Superintendentin oder der Superintendent vertritt den Kirchenkreis in der Öffentlichkeit. 2Sie oder er gibt Anstöße für die Entwicklung des kirchlichen Lebens und fördert die theologische Arbeit.

(3) 1Die Superintendentin oder der Superintendent führt Pastorinnen und Pastoren sowie andere Mitarbeitende im Kirchenkreis in ihr Amt ein, begleitet sie in ihrem Dienst, fördert ihre Zusammenarbeit und nimmt ihnen gegenüber Aufgaben der Dienstaufsicht wahr. 2Sie oder er lädt zu Konventen und Konferenzen ein.

(4) Die Superintendentin oder der Superintendent visitiert die Kirchengemeinden und andere kirchliche Körperschaften im Kirchenkreis.

Erläuterungen zu Artikel 38

Artikel 38 beschreibt die Aufgaben der Superintendentin oder des Superintendenten. Die Regelungen knüpfen an Artikel 53 der bisherigen Verfassung an, versuchen aber die Veränderungen im Profil des Superintendentenamtes aufzunehmen, die sich seit dem Jahr 1965 vollzogen haben und die bisher nicht in den Bestimmungen der Verfassung zum Ausdruck kommen. Gleichzeitig sind sie bewusst so weit gefasst, dass sie genügend Raum für künftige Veränderungen lassen.

Absatz 1 stellt klar, dass das Superintendentenamt ein Leitungsamt ist, das sowohl geistliche als auch andere Leitungsaufgaben umfasst, letzteres vor allem als vorsitzendes Mitglied im Kirchenkreisvorstand. Das besondere Profil des Amtes besteht darin, dass Superintendentinnen und Superintendenten alle diese Leitungs- und Aufsichtsaufgaben als Ordinierte, also im Rahmen ihrer Berufung zum Amt der öffentlichen Verkündigung (Artikel 12), wahrnehmen.

Mit den Aufgaben, für das sachgerechte Zusammenwirken aller an der Leitung des Kirchenkreises Beteiligten zu sorgen (Absatz 1 Satz 3), Anstöße für die Entwicklung des kirchlichen Lebens im Kirchenkreis zu geben (Absatz 2 Satz 2), Pastorinnen und Pastoren sowie andere Mitarbeitende in ihrem Dienst zu begleiten (Absatz 3 Satz 1) und die kirchlichen Körperschaften im Kirchenkreis zu visitieren (Absatz 4), nehmen Superintendentinnen und Superintendenten geistliche Leitungsaufgaben wahr und tragen besondere Verantwortung für die Einheit der Kirche.

Allein schon wegen dieser Verantwortung, aber auch wegen der Bedeutung des Kirchenkreises als eigenständige Gestalt von Kirche (siehe die Erläuterungen zu Artikel 31) hebt Artikel 38 bewusst ab auf das Superintendentenamt als theologisches Leitungsamt mit der wesentlichen Aufgabe, die theologische Arbeit im Kirchenkreis zu fördern (Absatz 2 Satz 2) und für eine theologisch verantwortete Leitung des Kirchenkreises zu sorgen (Absatz 1 Satz 1). Diese Beschreibung knüpft an die Regelungen über die Aufgaben des Pfarramtes in Artikel 25 an. Entsprechend dem Charakter eines Leitungsamtes stellt die Formulierung „sorgt für eine theologisch verantwortete Leitung des Kirchenkreises“ allerdings klar, dass die Aufgabe der Superintendentin oder des Superintendenten nicht nur darin besteht, die eigene theologische Kompetenz in die Arbeit des Kirchenkreises und seiner Gremien einzubringen. Denn in diesen Gremien sind stets auch andere Ordinierte vertreten. Die Aufgabe der Superintendentin oder des Superintendenten besteht vielmehr auch und gerade darin, Anstöße dafür zu geben, dass andere ihre theologische Kompetenz einbringen und insbesondere im Pfarrkonvent in einen kollegialen theologischen Austausch eintreten.

Die vorgeschlagene Regelung hält daran fest, dass die Superintendentin oder der Superintendent kraft Amtes auch den Vorsitz im Kirchenkreisvorstand innehat. Eine Trennung zwischen dem eigenständigen, nicht nur, aber wesentlich theologisch geprägten Leitungsamt und dem Vorsitz im Kirchenkreisvorstand, wie sie auf der Ebene der Kirchengemeinde seit langem möglich ist und auch tatsächlich praktiziert wird, wäre zwar denkbar. Sie würde auch der gewachsenen Bedeutung des Ehrenamtes entsprechen und würde es der Superintendentin oder dem Superintendenten möglicherweise erlauben, sich stärker auf Leitungsaufgaben zu konzentrieren, für die gerade die theologische Kompetenz von Bedeutung ist. Diesen Erwägungen steht aber die Beobachtung gegenüber, dass die Leitung des Kirchenkreisvorstandes allein von ihrem Inhalt und Umfang so ausgestaltet ist, dass sie eine hauptamtliche Wahrnehmung erforderlich macht, die auch mit einer entsprechenden dienstrechtlichen Verantwortlichkeit verknüpft ist. Im Stellungnahmeverfahren gab es zu diesen Überlegungen sowohl zustimmende als auch ablehnende Voten. Der Verfassungsausschuss hat die Argumente für und gegen eine feste Verbindung von Superintendentenamt und Vorsitz im Kirchenkreisvorstand nochmals abgewogen, sieht im Ergebnis aber keine überzeugenden Gründe, die gegenwärtige Rechtslage zu verändern.

Um Möglichkeiten der Entlastung, aber auch der bewussten Schwerpunktsetzung für Superintendentinnen und Superintendenten zu eröffnen, enthielt der erste Entwurf eine Öffnungsklausel, die es gestattete, im Rahmen einer kirchengesetzlichen Regelung auch über den bisher in § 56 Absatz 3 der KKO beschriebenen Rahmen hinaus Möglichkeiten zur Delegation einzelner Aufgaben zu schaffen. Im Interesse einer Textstraffung hat der Verfassungsausschuss diese Öffnungsklausel in der Verfassung nicht für erforderlich gehalten. Eine Delegation ephoraler Aufgaben kann und sollte auf einfachgesetzlicher Ebene geregelt werden. Eine Delegationsregelung kann auch über den bisher vorgesehenen Rahmen hinausgehen und beispielsweise die Möglichkeit eröffnen, besonders dafür qualifizierte ehrenamtliche Mitglieder des Kirchenkreisvorstandes oder Mitarbeitende des Kirchenamtes mit der selbständigen Wahrnehmung von Aufgaben im Bereich der Vermögensaufsicht oder des Gebäudemanagements zu beauftragen.

Im Stellungnahmeverfahren wurde mehrfach der Wunsch geäußert, die Leitungsaufgabe der Superintendentin oder des Superintendenten im Pfarrkonvent wie bisher in der Verfassung zu erwähnen. Der Verfassungsausschuss hat diese Anregung in modifizierter Form aufgegriffen. Die gefundene Formulierung soll zum einen berücksichtigen, dass es neben dem Pfarrkonvent auch Diakonenkonvente gibt. Zum anderen soll sie die Zusammenarbeit der verschiedenen Berufsgruppen im Kirchenkreis betonen.

Auf Anregung der Arbeitsgruppe Kirchenkreisstrukturen hat der Verfassungsausschuss die Formulierung von Absatz 2 überarbeitet. Die neue Formulierung soll die Rolle der Superintendentin oder des Superintendenten als Impulsgeberin oder Impulsgeber für Entwicklungsprozesse im Kirchenkreis stärker akzentuieren. Dass Entwicklungsprozesse von einer Mitwirkung vieler Beteiligter abhängen, soll damit nicht in Frage gestellt werden.

Der Verfassungsausschuss hat sich auch mit den Anregungen aus dem Stellungnahmeverfahren auseinandergesetzt, für Superintendentinnen und Superintendenten künftig ein Kanzelrecht vorzusehen, wie es bisher nur der Landesbischöfin oder dem Landesbischof (Artikel 52 Absatz 2) und den Regionalbischöfinnen und Regionalbischöfen (Artikel 55 Absatz 2) zusteht. Er hat sich jedoch dafür ausgesprochen, diese Anregungen nicht aufzugreifen. Dass es eine wichtige Aufgabe von Superintendentinnen und Superintendenten ist, in den Gemeinden des Kirchenkreises zu predigen, steht außer Frage. Das Kanzelrecht, das vor allem in Krisenfällen zum Tragen kommt, sollte aber als ein Ausdruck der geistlichen Leitung – in diesem Fall durch die Wortverkündigung – nicht von der Person ausgeübt werden können, die mit großer Wahrscheinlichkeit in einem Krisenfall auch aufsichtlich tätig werden muss. Gerade im Krisenfall könnte das zu Rollenkonflikten führen.